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Kaninchengeschichten
Teil 1

 

 

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Seid gegrüßt meine Freunde.
 

Das letzte mal, tauchten wir in die Welt der Mythen und Legenden der Kaninchenernährung ab. In die Grenzlande zwischen Wahrheit und Fiktion. Wir wühlten uns durch das Dickicht harter Fakten und wohlgemeinter Ratschläge.

Dieses mal möchte ich mich einem anderen Thema widmen. Der Psyche unserer Zwergkaninchen. Der Komplexität ihres Sozialverhaltens und daraus resultierender Probleme, welche, obwohl rein psychisch, bei einem Kaninchen genauso schnell lebensgefährlich werden können wie eine Kolik oder ein Darmverschluss. Ich werde euch in den nächsten Wochen 3 Geschichten erzählen, sie alle handeln von meinen Kaninchen und ihrem Sozialverhalten, ihren temporären seelischen Problemen und der anfänglichen Schwierigkeit und Unfähigkeit meinerseits ihre seelischen und psychischen Probleme von eventuellen körperlichen Erkrankungen zu unterscheiden.
 

Nun, wollen wir mit der ersten Geschichte beginnen? Macht es euch gemütlich, es wird wunderbar:

 

Diva Emoji.png
Emil Emoji.png
Diva und Emil
© Sandra Tiefenbacher

 

“Freunde in der Not, sind Freunde fürs Leben”
 

Die erste Geschichte spielt kurz nach dem Tod meines “Seelenkaninchens” Emil (grauer Zwergwidder). Er war der Grund warum ich mit der Kaninchenhaltung anfing und er war etwas ganz besonderes. Zutraulich wäre noch eine Untertreibung gewesen wollte man das Verhältnis zwischen ihm und mir beschreiben. Sein Tod traf mich sehr hart, in seinen letzten Minuten suchte er mit allen Kräften meine Nähe, ein für Kaninchen sehr untypisches Verhalten, aber er war eben kein typisches Kaninchen. Als er starb ergaben sich zwei, recht offensichtliche, Probleme für mich. Einerseits vermisste ich meinen Buben, ich schäme mich nicht zuzugeben, dass ich die ersten Tage nicht einmal Fotos von ihm betrachten konnte ohne meine Fassung zu verlieren. Das zweite Problem, war sein Weibchen, Diva (schwarzer Farbzwerg)! Problem insofern, als das die Beziehung zwischen ihr und mir, nun sagen wir, eher rein geschäftlicher Natur war. Ich gab ihr Futter, und sie quittierte dies mit der Duldung meiner Person, aber nur solange es denn unbedingt notwendig war, nach erfolgter Futterlieferung sollte ich mich gefälligst wieder vom Acker machen.

Ich muss zugeben, meine Sympathie, diesem Tierchen gegenüber, hielt sich stark in Grenzen. Nicht falsch verstehen, sie war friedlich, nicht aggressiv oder dergleichen. Aber unsere Beziehung könnte man am ehesten als “nüchtern” bezeichnen. Zuneigung war, auf beiden Seiten, Mangelware. Kommunikation, sofern unbedingt notwendig, fand ausschließlich über Emil statt. Sie wollte etwas? Dann sekierte sie ihn solange bis er zu mir betteln kam, ein Verhalten das ich so einem Tier, in meiner grenzenlosen Überheblichkeit als Mensch, niemals zugetraut hätte, und hätte ich es nicht selbst erlebt und gesehen, würde ich es auch heute vlt nicht glauben. Wollte ich was von ihr, Krallenschneiden, Tierarztbesuch und dergleichen...ging das nur mit seiner Hilfe. Krallenschneiden funktionierte nur wenn er neben ihr saß, Tierarztbesuche liefen nur dann stressfrei ab, wenn er neben ihr saß, und er tat es. Er war das verbindende Glied, der Karabiner der unsere beiden Ketten verband...und er war weg.
 

Ich machte mir wirklich Sorgen wie das mit ihr laufen sollte, erstens war ich nicht sicher ob sie wieder einen Partner annehmen würde, zudem ist die Trauerzeit eines Kaninchens oft unterschiedlich lang und ist auch von Mythen und Legenden umrankt und noch nicht wirklich eingehend erforscht. Und es blieb die Tatsache, das sie mich nicht leiden konnte. Oder Menschen generell…

Trotzdem tat ich, was mir logisch erschien. Ich baute im Wohnzimmer ein kleineres Gehege auf, welches offen war, damit sie jederzeit raus konnte und holte sie aus ihrem großen, leeren Gehege ins Wohnzimmer. Wo wir (meine Freundin und ich) uns die meiste Zeit aufhielten. Zu Beginn saß sie nur in ihrem Unterschlupf und fraß nur das notwendigste. Gut, das positive war, sie frass, trotzdem merkte ich, dass sie genauso trauerte wie ich, nein, vlt noch mehr, denn sie hatte ihren einzigen Bezugspunkt verloren. Ihre einzige Sicherheit.

Also entschied ich, die nächsten Tage, jede Nacht, neben ihrem Gehege zu schlafen. Ich machte es wie Emil, ich war einfach da, in der Hoffnung sie würde irgendwann ihre Angst überwinden und den Kontakt suchen.
 

Die ersten Tage waren jedoch ernüchternd, sie schien keinerlei Interesse an uns zu zeigen, und obwohl ich mit Hochdruck einen passenden Partner für sie suchte, wusste ich, das es Wochen, ja gar Monate dauern konnte einen zu finden. In der Zeit wollte ich sie nicht allein lassen, denn Kaninchen sind nun einmal hoch soziale Tiere. Hinzu kommt: Der anhaltende Stress der Einsamkeit kann schnell zu schweren Erkrankungen führen, und wenn auch langfristig nur ein 2. Kaninchen einen passenden Partner abgibt, so kann der Mensch, für kurze Zeit wohlgemerkt, diesen Part übernehmen.

Wir sorgten also dafür, dass sie so gut wie nie alleine war, wenn wir mal länger weg waren, organisierten wir einen “Babysitter” für sie etc.
 

Aber wie gesagt, die ersten Tage, zeigte sie keinerlei Interesse. Aber dann, ich schlief wieder einmal neben ihrem Gehege, die Hand vor dem Eingang positioniert, schaute sie kurz raus, schnupperte an meiner Hand, wodurch ich aufwachte, und schwupps war sie schon wieder weg. Am nächsten Tag, fing sie bereits an das Futter außerhalb ihrer Höhle zu futtern, und von da an ging es rasant bergauf.

 

Diva in ihrem Wohnzimmergehege.jpg
Diva in ihrem Wohnzimmergehege                  © Peter Palzer
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Sie kam heraus, ließ sich streicheln, kraulen, putzen und zeigte dass sie das gleiche bitte auch bei uns machen wolle, besser, an meiner Hand. Sie fing an mich als “Aushilfsbuddy” zu akzeptieren. Nach einigen Wochen ging das soweit, dass sie regelmässig in die Küche kam um ihr Futter zu holen. Sie kam auf Kommando auf die Bank gesprungen und saß dort während wir Fern sahen.
In der Nacht schlief ich weiterhin im Wohnzimmer auf der Bank, daneben stand ein kleiner Hocker, während ich schlief, saß sie dort, putzmunter die Umgebung beobachtend, auf mich aufpassend. Wie es Kaninchen untereinander nunmal machen, einer schläft, einer passt auf.
Nach einigen Wochen, hatten wir eine Beziehung zueinander, die ich mir nie hätte träumen lassen. Sie war kein Kaninchen mehr, sie war wie ein Hund. Sie hatte sämtliche Ängste komplett abgelegt. Als eines Tages der Rauchfangkehrer kam, wollte ich sie zunächst einsperren, aber ich dachte mir dann, warte mal ab wie sie reagiert, und ich weiss nicht wer überraschter war, der Rauchfangkehrer oder ich. 

Nicht nur das sie keinerlei Angst vor ihm hatte, und ihm vom Vorzimmer bis in die Küche verfolgte, ließ sie ihn keine Minute aus den Augen.

 

Es war fast so als ob sie ihn überwachen wollte, wie ein Hund eben. Sie fing mit einer Selbstverständlichkeit an seine Koffer und sein Werkzeug zu markieren (mit dem Kinn, ähnlich wie Katzen besitzen auch Kaninchen unter dem Kinn Duftdrüsen mit denen sie Objekte markieren), denn es war klar, das gehörte jetzt alles ihr.
 

Innerhalb weniger Wochen, war aus dem ängstlichen, übervorsichtigen Zwergi, ein taffes, aufmerksames und mutiges Persönchen geworden. Welches sie bis heute ist.
 

Und das alles haben wir nur einem zu verdanken: Emil. Als er lebte war er unser Dolmetscher, unsere Verbindung, nach seinem Tod war er unser Lehrer, der Grund uns miteinander auseinanderzusetzen. Ich lernte von ihm, das es völlig reicht, einfach da zu sein. Denn genau das machte ich die ersten Tage, ich war einfach da, ein stehendes Angebot, das sie nutzen konnte oder nicht. Und sie erinnerte sich vlt daran, das Emil und ich uns exzellent miteinander verstanden. Das ich es war bei dem er sich, bei der ersten Begegnung mit ihr, vor ihr versteckte (obwohl er mich da gerade einmal ein paar Tage kannte). Und vielleicht erinnerte sie sich auch daran, dass Menschen vlt doch nicht so doof sind, wie sie dachte.
 

Wir brauchten beide jemanden, sie brauchte jemanden auf den sie sich verlassen konnte, und ich brauchte jmd der mir half Emils Tod zu verarbeiten.

Und soll ich euch was sagen? Heute bin ich immer noch traurig wenn ich an jene Nacht zurückdenke in der mein Bursche starb, aber wenn ich mir dann dieses kleine taffe Mädchen ansehe, dann muss ich wieder lächeln und mich bei ihm bedanken, denn er hat mir gezeigt wie es geht...er war mein Meister Yoda. Und heute, ist sie zu meinem “Seelenkaninchen” geworden. Und ihr neuer Partner, Gimli (roter Farbzwerg), hat von ihr gelernt, und wurde von einem ängstlichem Knopf zu einem mutigen und sensiblen Partner, der auch gerne mit unserem Thorin (Schäfer-Kangal-Mix) kuschelt. Und das, obwohl er, als er zu uns kam, panische Angst vor Hunden hatte.



Aber dies, ist eine Geschichte, für einen anderen Tag!

 

Kaninchen sind hoch soziale Tierchen, und als solche ist es klar das wir sie nicht alleine halten sollten (und dürfen). Aber nicht jedes Kaninchen versteht sich mit jedem...
Vergesellschaftung: Kaninchen
3 Std.
€165
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